Sicherheitsbetrachtungen
Unter Art. 10 – Standsicherheit ist nachzulesen:
´.. 1Jede bauliche Anlage muß im ganzen, in ihren einzelnen Teilen und für sich allein standsicher sein. 2Die Standsicherheit muss auch währen der Errichtung und bei der Änderung und dem Abbruch gewährleistet sein. . .
Nachdem absolute Sicherheit nicht erreicht werden kann, ist ein Zustand dann als “sicher“ anzusehen, wenn er ein vergleichbar kleines und damit akzeptierbares Risiko enthält (relative Sicherheit) und/oder den im Gefährdungsbereich sich aufhaltendenden Personen die persönlich empfundene Gewissheit gibt, vor Gefahren geschützt zu sein (subjektive Sicherheit).
Die Nutzer von Bauwerken, Dritte in ihrem Einflussbereich und die Gesellschaft schlechthin fordern die Sicherheit von Menschen vor dem Versagen von Bauwerken und stützen sich dabei auf die einschlägigen Rechtsgrundlagen.
So wären genau genommen auch nicht die Tragwerkskonstruktionen als “sicher“ zu bezeichnen, sondern vielmehr die sich in deren Einflussbereich befindlichen Personen und Sachen.
Anders verhält es sich mit der Tragsicherheit von bestehenden Tragwerken. Nachdem hier Aussagen über deren Verhalten in Extremsituationen zu treffen sind, die in der Regel außerhalb des erschlossenen Erfahrungsbereiches liegen, erweist sich die Beurteilung im Allgemeinen als problematisch.
Zum Zeitpunkt der Bemessung bestehender Tragwerke wurden an die Eigenschaften von Baustoffen bestimmte Anforderungen gestellt. Der Möglichkeit, dass diese bei der Erstellung nicht erfüllt werden, suchte man mit entsprechenden Sicherheitsvorgaben Rechnung zu tragen.
Nachdem die Bauwerke nun greifbar sind, eröffnet sich die Möglichkeit, durch Materialprüfungen Kenntnisse über die tatsächlichen Baustoffeigenschaften der zum Einbau gelangten Konstruktionselemente zu erlangen, diese in die Beurteilung einfließen zu lassen und gegebenenfalls gewisse Sicherheitsvorhalte abzubauen.
Allerdings streuen die Eigenschaften von Baustoffen älterer Bauwerke in höherem Maß, als die in heute neuerstellten Konstruktionen, so dass bei verhältnismäßig geringer Probenzahl, die über die Materialeigenschaften gewonnenen Zahlenwerte lediglich als Anhaltspunkt dienen können.
Zudem sind etwaige, die Beanspruchbarkeit von Tragelementen möglicherweise herabsetzende Veränderungen wie Korrosion, Ermüdung, Abnützung, Versprödung in die Beurteilung mit einzubeziehen.
Zuverlässigkeit ist im hier interessierenden Baubereich die Eigenschaft eines Tragwerkes eine festgelegte Funktion unter vorgegebenen Bedingungen während einer festgelegten Zeitdauer mit vorgegebener Wahrscheinlichkeit zu erfüllen.
Mangelnde Zuverlässigkeit äußert sich darin, dass eine Bedingung mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit nicht eingehalten ist. Ein Tragwerk stürzt ein (keine ausreichende Tragsicherheit), die vorhandene Durchbiegung ist größer als ein als zulässig erachteter Wert (ungenügende Gebrauchstauglichkeit), Bewehrungsstähle korrodieren vorzeitig (zu geringe Dauerhaftigkeit) usw.
Die Frage der Dauerhaftigkeitbei steht bei bestehenden Bauwerken in anderem Licht als bei neu zu errichtenden Gebäuden. Mangelt es dahingehend bei der Projektierung von Bauwerken vielfach an Erfahrung, lässt sich bei bestehenden Bauten anhand des angetroffenen Zustands leichter auf die zu erwartende weitere Entwicklung schließen.
Bei bestehenden Gebäuden ergeben sich eher selten Zweifel an der Gebrauchstauglichkeit. Entweder hat sich das Tragwerk als gebrauchstauglich erwiesen, oder es sind unter den Umständen des normalen Gebrauchs entsprechende Mängel (z.B. Mauerwerksrisse infolge zu großer Tragwerksnachgiebigkeit, ein als unangenehm empfundenes Schwingen von Decken beim Begehen, etc.) aufgetreten, welche schlüssige Aussagen ohne weiteres zulassen.